Als die Beweisaufnahme beendet, die Zeugen gehört und die Schlussplädoyers gesprochen waren, durfte das Publikum abstimmen: Die Zuhörer eines Vortrags am 22. November in Zeitz konnten per Handzeichen entscheiden, ob sie den Thesenanschlag für einen Fakt halten oder nicht. Dem Ergebnis nach konnte Lutherforscher Mirko Gutjahr von der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt die meisten der ca. 30 Besucher überzeugen. Für Gutjahr fand der Thesenanschlag des Reformators Martin Luther tatsächlich statt. Mit dem Titel seines Vortrags „Und er hämmerte doch“ traf der Experte also den Nagel auf den Kopf.

Gutjahrs „Prozess“ begann mit der Darstellung der Ereignisse vom 31. Oktober 1517. Überliefert ist, das Martin Luther als Professor der Universität Wittenberg Thesen gegen den Ablass verfasste und sie öffentlich diskutieren wollte. Die Regularien von damals sahen für eine solche Disputation vor, die Thesen öffentlich auszuhängen – und zwar an die Türen der Wittenberger Kirchen. Mit dem Anschlagen seiner zur Diskussion stehenden Thesen handelte Luther genau so, wie es die Vorschriften der Universität vorsahen. Der Aushang war gleichzeitig eine Einladung, die Thesen eine Woche nach Erscheinen zu diskutieren.

In seinem fiktiven Gerichtsprozess rief Mirko Gutjahr anschließend verschiedene Zeugen auf. Neben Martin Luther selbst, Philipp Melanchton und Georg Major ist besonders Georg Rörer hörenswert. Rörer schrieb auf den Seitenrand eines Neuen Testaments von 1540, dass die Thesen an die Wittenberger Kirchentüren angeschlagen wurden. Die Notiz befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Jena.

Ein Urteil ist bekanntermaßen nicht immer frei von Zweifeln oder Widersprüchen. So bleibt auch nach dem Vortrag offen, warum Luther selbst am Anfang die Veröffentlichung seiner Thesen bestreitet, sie später aber wiederrum zugibt. Auch, dass die meisten Zeugnisse erst aufgeschrieben wurden, als der Thesenanschlag bereits geschehen war, stärkt eher die Sicht der Skeptiker.

Letztendlich sind Gutjahrs Forschungen aber für Zeitz von enormer Bedeutung. Der Historiker konnte überzeugend darlegen, dass Luther für die Veröffentlichung seiner Thesen eine Druckwerkstatt in Leipzig beauftragte. Die Werkstatt fertige eine Druckversion, die Luther anschließend aushängte und  verschickte. Es ist ein kleines historisches Wunder, dass sich eines der wenigen erhaltenen Exemplaren im Besitz der Kirchengemeinde befindet.