30 Jahre ist die Wende her. 30 Jahre Friedliche Revolution. Wie empfanden Menschen damals ihre Zeit und dieses besondere Ereignis? Und was ist in den Jahren danach bis heute daraus geworden? Diesen Fragen gingen drei Podiumsgäste und gut 50 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer am 21. Oktober in der Michaeliskirche Zeitz nach.

Eingeladen hatten die evangelischen Kirchen der Region Zeitz und die Heinrich-Böll-Stiftung zu diesem besonderen Abend. Ihr ganz persönliches Erleben der damaligen Zeit stellten Martina Franke (Gemeindepädagogin), Birgit Neumann-Becker (Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen) und Dr. Ellen Ueberschär (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung) vor.

Erzählen ist das Geheimnis der Erinnerung. Und so lud die Moderatorin des Abends, Rebecca Plassa (Heinrich-Böll-Stiftung) ihre Gäste dazu ein zu erzählen, wie sie damals die Situation wahrnahmen, wie es mit den Friedensgebeten und anderen Formen der Friedlichen Revolution war. In Zeitz wirkte wohl noch die Selbstverbrennung von Pastor Brüsewitz nach, so dass die Friedensandachten in der Aue gefeiert wurden. Das Pfarrhaus war eine Art Schutzraum. Und die Kirche bot Freiraum. Denn in den Friedensandachten bestand die Möglichkeit zu sagen, was Menschen empfanden, was sie wünschten: offenes Mikrofon, offener Gedankenaustausch, wie etwa in der Wittenberger Schlosskirche. Eine neue Sprachfähigkeit setzte gerade auch die Kirche frei, indem sie ihre eigene, geprägte Sprache zur Verfügung stellte und Gedanken damit erste Worte gab, die sich weiterentwickelten.

In der Folgezeit ging manches vom Aufbruch allerdings auch verloren. Manche Idee an den Runden Tischen trat in den Hintergrund und geriet in Vergessenheit. Die Zeit im Umbruch forderte ihren Tribut, weil alte Werte und Bewährtes nicht mehr galt und der Übergang in ein neues System vor allem bürokratisch und wirtschaftlich gedacht und vollzogen wurde. Das Seelenleben der Menschen und die politische Bildung standen dagegen in den ersten Jahren im Hintergrund.

Die Ent-Täuschungen wurden nicht nur im Podium benannt. Im Gespräch brachten auch einzelne Besucherinnen und Besucher zum Ausdruck, was für sie in Schieflage geraten ist. War die Entwicklung, der Anschluss an den Westen, das neue Gesellschaftssystem letztlich übergestülpt? Oder war es auch der Wunsch, so schnell wie möglich alles so wie im Westen haben zu wollen?

Vieles ist bis heute nicht bearbeitet und aufgearbeitet. Vielleicht brauchte es auch die Zeit, um darüber nachdenken zu können und die Fragen zu stellen, die heute aufbrechen. Und auch, wenn schon 30 Jahre lang geredet wird und sich scheinbar nichts ändert, hat sich doch viel getan.

Was der Abend zeigte: Die Wende ist kein einmaliger Punkt. Sie ist und bleibt Chance und zugleich Herausforderung, denn es geht bis heute um sehr viel. Es geht darum, wie wir jetzt miteinander leben und morgen miteinander leben wollen.

Im Anschluss an das Gespräch auf dem Podium und untereinander feierten die Besucher miteinander ein Friedensgebet – das eben nicht nur Erinnerung ist, sondern dringend nötig für die heutige Zeit.